Das 20. Jahrhundert
Das vergangene 20. Jahrhundert wird aus dem Blickwinkel der Frau reflektiert.
Der tiefgreifende gesellschaftliche Wandel zu Beginn des gerade vergangenen Jahrhunderts wurde nicht nur in der Kunst sichtbar, sondern auch im Verhältnis der Geschlechter zueinander: Nun meldeten sich auch die Frauen zu Wort, formulierten neue Erwartungen an die Zukunft und konnten im Laufe der Zeit unerhört vieles erreichen - den Zugang zu Bildungseinrichtungen, politische Mitsprache, Ausübung qualifizierter Berufe, finanzielle Selbständigkeit usw.
Für jedes Jahr kann mindestens ein frauengeschichtliches Ereignis aufgerufen werden, das FRAU zum ersten Mal erreicht hat.
sechstes Jahrzehnt (1951 - 1960) mit 24 herausragenden Errungenschaften von Frauen
1951
Die Sorge um den Frieden verdrängt die Frauenfage
Das erste Mal steht der Internationale Frauentagausschließlich unter dem Motto 'Frauen kämpfen für Frieden und Freiheit'.
Unter dem Eindruck des Koreakrieges und der geplanten Remilitarisierung der BRD treten Frauenfragen in den 50er Jahren hinter der Sorge um den Frieden zurück.
1952
Hildegard Knef
sorgt für einen handfester Filmskandal im Nachkriegsdeutschland.
Sie schockt mit einer Nacktszene im Film "Die Sünderin" die Moralapostel.
Das Publikum der 50er Jahre verzeiht der "starken Frau des deutschen Trümmerkinos", die sich in Filmen wie "Die Mörder sind unter uns", "Film ohne Titel" und "Zwischen gestern und morgen" als Integrationsfigur erwiesen hat, die Rolle der Sünderin nie.
1952
Frauen im Bundestag einig
Die Frauen aller Parteien sind sich einig, dass das Ehe- und Familienrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches an das Grundgesetz angepasst werden muss wie es 1949 im Bundestag beschlossen wurde. Die Männer in den Parteien blockieren den Prozess der Gleichstellung von Frau und Mann, indem sie an den patriarchalen Bestimmungen im Familienrecht festhalten. Mit dem Argument, Frau und Mann seien von Natur aus verschieden, beharren sie u.a. auf dem männlichen Entscheidungsrecht in allen Fragen, die das gemeinsame Leben der Eheleute betreffen und auf der Alleinvertretungsmacht des Vaters. Maria Elisabeth Lüders (FDP) verneint die 'Generalvollmacht für den Mann'
1952
Erster Fernsehabend in der BRD
Am zweiten Weihnachtsfeiertag beginnt für die Bundesbürger das Fernsehzeitalter. Der Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR) zeigt eine Stunde und 58 Minuten Programm. Die erste Programmansagerin heißt Irene Koss und ist 22 Jahre jung.
Mit dem offiziellen Sendestart wird Irene Koss zum Gesicht des deutschen Fernsehens.
Wie viele Menschen an diesem Abend in die Röhre gucken, ist nicht mehr zu rekonstruieren. Die Empfänger kosteten mehr als 1.000 Mark und standen bundesweit in mehreren Hundert bis Tausend Wohn- und Gaststuben. Die "Dame ohne Unterleib", wie die Ansagerin wegen des Bildausschnitts vom Scheitel bis zum Bauch genannt wird, wird zur "Visitenkarten" des Fernsehens.
1953
Gleichberechtigung von Frau und Mann
Am 1. April wird die Gleichberechtigung von Frau und Mann in der BRD rechtlich wirksam.
Sämtliche Gesetzesbestimmungen, die damit nicht im Einklang stehen, verlieren ihre Gültigkeit, da die Frist für ein Anpassungsgesetz abgelaufen ist. Bis zur Reform des Ehe- und Familienrechts müssen in Streitfällen die Gerichte im Einzelfall entscheiden.
Am 21. Juni 1957 wird vom Bundestag die Streichung des Alleinentscheidungsrechts des Mannes in der Ehe und die Einschränkung väterlicher Vorrechte in der Kindererziehung beschlossen. Das Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts tritt in der BRD am 1. Juli 1957 in Kraft.
Aber erst 1979 werden auch die noch verbliebenen Vorrechte der Väter in Fragen der Kindererziehung aufgehoben. Darüber hinaus erhalten die Frauen nun endlich auch das Recht, ihr in die Ehe eingebrachtes Vermögen selbst zu verwalten.
1953
Nadine Gordimer
veröffentlicht ihren ersten Roman. In ihm setzt sie sich mit dem Apartheidsregime ihrer Heimat, Südafrika, auseinander. Ihr Engagement für die politische und gesellschaftliche Emanzipation der Afrikaner verbindet sie mit hohen literarischen Ansprüchen. Für ihre Leistungen erhält sie 1991 den Literaturnobelpreis.
1953
Frida Kahlo
Die mexikanische MalerinFrida Kahlo hat ihre erste Einzelausstellung in der Galerie Arte Contemporaneo in Mexiko City. Stets bewahrt die Künstlerin sich ihre geistige und künstlerische Eigenständigkeit und eine tiefe Skepsis gegenüber der europäischen Kunsttheorie.
1954
"Bonjour Tristesse"
Der erste Roman der 19 jährigen Françoise Sagan wird zum Bestseller.
In ihren Roman "Bonjour Tristesse" beschreibt sie den Zeitgeist einer Generation, die das Jungsein zelebriert.
Auch in ihren folgenden Romanen entwirft die Autorin stilsicher literarische Figuren, die den Glauben an die Werte der bürgerlichen Gesellschaft verloren haben.
1954
Das Kostüm
Nach 15 jähriger Abstinenz vom Modegeschäft stellt Coco Chanel ihre erste Nachkriegskollektion vor. Das von ihr kreierte Chanel-Kostüm ist aus dem Kleiderschrank der modernen Frauen nicht mehr wegzudenken.
1954
Alle ethnischen Gruppen Südafrikas
gründen eine gemeinsame Frauenorganisation. Den Vorsitz hat Lilien Ngoyi, die Präsidentin der Frauenliga des ANC.
1955
Der Film 'Sissi'
mit der 17 jährigen Romy Schneider in der Hauptrolle hat in Deutschland Premiere.
Die Schauspielerin, die durch die Darstellung der Kaiserin Elisabeth zum Publikumsliebling avanciert, sagt rückblickend: "Sissi hing mir wie ein Klotz am Bein. Ich bedaure die Serie nicht, denn ich habe ihr viel zu verdanken." Ende der 50er Jahre gelingt es ihr, sich von dem Image der Sissi zu lösen und Rollen zu spielen, wie sie sich sie wünscht.
In Paris findet sie mit Filmen wie "Der Prozess" oder "Das Mädchen und der Kommissar" internationale Anerkennung.
1955
Die 'documenta I'
wird in Kassel eröffnet.
Im Laufe der Jahre wird sie zur wichtigsten zeitgenössischen Kunstausstellung der westlichen Welt. Neun Jahre nach der Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus werden Exponate von 148 international anerkannten Künstlern ausgestellt - darunter sind nur sechs Künstlerinnen. Bei der "documenta IV" im Jahr 1968 sind es nur noch zwei.
Die mangelnde Anerkennung von Künstlerinnen ist Ausdruck einer patriarchalen Ausstellungspolitik, die in keinem Verhältnis zu Qualität und Originalität weiblichen Kunstschaffens steht.
1955
Eine afroamerikanische Sängerin
debütiert an der Metropolitan Opera in New York.
In einer Zeit, in der die Rassendiskriminierung ein allgegenwärtiges Problem ist, setzt der Direktor der "Met" Rudolf Bing es durch, dass die Altistin Marian Anderson auftreten kann.
Natürlich geht das nicht ohne Proteste vor sich. Ihr Auftritt wird jedoch zu einem großen Erfolg. Obwohl sie eine eher kleine Rolle hat, erhält sie stürmischen Beifall. So hat Marian Anderson es geschafft, eine Bresche für schwarze Opernstars zu schlagen.
1956
Agatha Christie
macht den Krimi gesellschaftsfähig.
Die britische Kriminalschriftstellerin wird von Königin Elisabeth II. mit dem Kommandeurskreuz des British-Empire-Ordens ausgezeichnet. Damit findet eine literarische Gattung offizielle Anerkennung, die von der Literaturkritik bis dahin nie ernsthaft gewürdigt wurde. Agatha Christie veröffentlicht an die 80 Werke. Die Klassikerin des Thrillers hält mit einer Gesamtauflage vom 100 Mio. Exemplaren die Weltspitze.
1956
Marilyn Monroe heiratet
den Schriftsteller Arthur Miller.
Die Verbindung gilt als Sensation. Die Regenbogenpresse stürzt sich auf das Paar, das "nicht zueinander passt". Ist doch Miller der Prototyp eines Intellektuellen, und Marilyn gilt als das Sex-Idol. Kritiker sprechen von der "Verbindung von Körper und Geist". Das Ehepaar versucht, ein zurückgezogenes Leben zu führen, was ihm allerdings nicht gelingt. Außerdem hat Marilyn zwei Fehlgeburten, die die Beziehung belasten. Das Paar trennt sich und wird 1961 geschieden.
1957
Die Sekretärin Bette Nesmith
erfindet die Korrekturflüssigkeit ... und produziert ihr "Liquid Paper" in den USA selbst.
Liquid Paper ist der Markenname für eine Schreibkorrekturflüssigkeit, die häufig verwendet wurde, als Schreibmaschinen das effizienteste Mittel zur Erstellung professioneller Textdokumente waren.
Bis zum Aufkommen der Textverarbeitung benutze fast jeder, der Texte auf einer Schreibmaschine tippte, eine kleine Flasche dieser Korrekturflüssigkeit. Mit einem kleinen Pinsel, der der Flüssigkeitsflasche beigelegt war, konnten Tippfehler abgedeckt werden. Die Flüssigkeit trocknete in Sekunsenschnelle und dann konnten die richtigen Buchstaben oder Zeichen in die Leerzeichen eingeben werden.
Bette Nesmith stirbt 1980 als Millionärin.
1957
Winnie Nomzamo Mandela
setzt sich in Südarfrika für die Rechte der farbigen Frauen ein.
Sie wird zur Hoffnungsträgerin der dreifach unterdrückten Frauen Südafrikas:
Schwarze Frauen haben die geringsten Chancen auf Bildung,
rechtliche Gleichstellung und
soziale Anerkennung.
1957
Die BRD hat ihren ersten Sittenskandal
Die 24-jährige Prostituierte Rosemarie Nitribitt wird am 1. November in Frankfurt am Main erdrosselt aufgefunden. Dieser Mord weitet sich zum Gesellschaftsskandal aus.
Im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses steht ein Notizbuch mit Adressen, das allerdings niemals gefunden wird.
Doch gilt es als sicher, dass Prominente aus Wirtschaft und Politik zu den Freiern der Rosemarie Nitribitt gehörten.
Bereits 1958 kommt die Geschichte der Nitribitt unter dem Titel "Das Mädchen Rosemarie" mit Nadja Tiller in der Hauptrolle in die Kinos. Bei den Dreharbeiten muss der Regisseur Rolf Thiele immer wieder gegen die Interventionen von einflussreichen Personen ankämpfen, die befürchten, mit der Affäre in Verbindung gebracht zu werden
1958
Höchstleistungen im Schwimmen
Die australische Schwimmerin Dawn Fraser bleibt mit ihren 40 Weltrekorden bis heute ungeschlagen und hält sich acht Jahre lang als schnellste Kraulschwimmerin auf kurzen Strecken an der Spitze.
1958
Der Hula-Hoop-Reifen
kommt nach Europa und symbolisiert den 'American way of life'.
Der Kunststoffreifen erobert - ebenso wie die US-amerikanischen Schlager und der Rock'n' Roll - die Herzen und Hüften der Menschen. Der Konsum US-amerikanischer Freizeitartikel in Europa nimmt in den 50er Jahren enorm zu.
Hula ist ein hawaiischer Tanz und Hoop bedeutet engl. Fass-Reifen und wurde als „Hula Hoop“ enorm erfolgreich vermarktet.
Kinder und Erwachsene erfanden Kunststücke mit dem Kunststoffgerät. Dauer-Hula-Hoopen erfreute sich vor allem unter weiblichen Jugendlichen großer Beliebtheit. Aber auch Erwachsene begeisterten sich für diese neue Sport-Spiel. In Varietés und sah man mit Dutzenden von Reifen um Hals und Bauch jonglieren. Der Titel der deutschen Filmkomödie Hula-Hopp, Conny (1959) mit Cornelia Froboess und Rex Gildo war eine schnelle Reaktion auf diese Mode.
1958
Maria Callas
bricht eine Vorstellung der 'Norma' ab.
Während der berühmten Arie "Casta Diva" kommt es zu Unmutsäußerungen im Publikum. Daraufhin erklärt die Operndiva in der Pause, sie sei erkältet und werde die Vorstellung nicht zu Ende bringen. Die erbosten Reaktionen des Publikums und die Demonstrationen am Bühneneingang lassen die Sängerin kalt. Maria Callas gilt mit ihrer mehr als drei Oktaven umfassenden Stimme als unumstrittene Primadonna ihrer Zeit. Sie wird zur teuersten Opernsängerin der Welt und holt viele vergessene Opern des Belcanto-Faches auf die Bühne zurück.
1959
Konkurrenz im Kinderzimmer:
Barbie verdrängt die Käthe-Kruse-Puppe.
Das Baby für Muttergefühle oder die Frau für Mädchenträume?
Mit ihrem schlanken Vinylkörper ist die Barbiepuppe eine Miniaturausgabe des gängigen Schönheitsideals: Ihre überproportioniert langen Beine, wohlgeformten Brüste und ihre Wespentaille lassen sie sportlich und erfolgreich aussehen.
So verkörpert Barbie die Idee vom schnellen Lebensglück, das auf Äußerlichkeiten basiert.
1960
Geniales Marketingkonzept
Die amerikanische Top-Designerin Florence Knolls wird Chefin des Knoll-Imperiums, das sie schon in den 40er Jahren gegründet hat.
Mit einem Jahresumsatz von 50 Millionen DM und Niederlassungen in 19 Ländern zählt die Firma Knoll zu den ganz Großen des internationalen Designerbusiness.
Erfolgreich ist vor allem das neuartige Marketingkonzept:
"Jeder, der für uns Möbel entwirft, sollte auch durch Namensnennung honoriert werden." So vertreibt das Unternehmen den "Saarinen Sessel", "Bertoio-Stühle" und "Mies-van-der-Rohe-Sessel". Das Produkt wird zum Markenbegriff, der Name hebt es aus der Anonymität.
1960
Erste Regierungschefin in der modernen Geschichte
Sirimawo Bandaranaikeübernimmt nach der Ermordung ihres Mannes die Führung in Sri Lanka.
Ihre innenpolitischen Ziele stehen unter dem Motto Nationalisierung und Sozialisierung. Vor allem die Erneuerung des Schul- und Gesundheitswesen liegt ihr am Herzen. Bis 1965 sorgt sie für umfangreiche Aufklärungsprogramme und die Gründung von lokalen Selbsthilfegruppen. Sie führt den kostenlosen Schulunterricht ein.
Zu ihrem Programm gehört die Verstaatlichung der Banken, Versicherungen, Schulen, der Rohstoffe, Tee- und Kautschukplantagen. Hier stößt sie auf Widerstand der Großgrundbesitzer, die eine Enteignung fürchten. 1965 scheitert ihre Politik am Versuch, auch die Presse zu verstaatlichen. Die Bevorzugung der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit ruft den Widerstand der tamilischen Minderheit hervor, die sich in blutigen Kämpfen für ihre Autonomie einsetzen