Das 20. Jahrhundert
Das vergangene 20. Jahrhundert wird aus dem Blickwinkel der Frau reflektiert.
Der tiefgreifende gesellschaftliche Wandel zu Beginn des gerade vergangenen Jahrhunderts wurde nicht nur in der Kunst sichtbar, sondern auch im Verhältnis der Geschlechter zueinander: Nun meldeten sich auch die Frauen zu Wort, formulierten neue Erwartungen an die Zukunft und konnten im Laufe der Zeit unerhört vieles erreichen - den Zugang zu Bildungseinrichtungen, politische Mitsprache, Ausübung qualifizierter Berufe, finanzielle Selbständigkeit usw.
Für jedes Jahr kann mindestens ein frauengeschichtliches Ereignis aufgerufen werden.
achtes Jahrzehnt (1981 - 1990) mit 24 herausragenden Errungenschaften von Frauen
1981
In Deutschland wird ein Frauenmuseum eröffnet
Das Frauenmuseum in Bonn ist einzigartig auf der Welt und findet erst 1987 einen Nachfolger in den USA. In diesem Museum dürfen nur Künstlerinnen ausstellen.
In einem verlassenen Kaufhaus, das der Stadt Bonn gehört, wird am 23. Mai von Künstlerinnen, Ausstellungsorganisatorinnen und anderen interessierten Frauen das erste Frauenmuseum der Welt eröffnet. In den folgenden Jahren gelingt es den Museums-Frauen nach heftigen Auseinandersetzungen, Subventionen durch die Stadt, Länder, Bund und Kunstfonds zu bekommen. Das Museum hat das Anliegen, Frauen in ihren künstlerischen Äußerungen, wie Literatur, bildende Kunst, Musik, Fotografie usw., zu fördern und die weibliche Geschichte aufzuarbeiten. Es ist nicht nur Ausstellungsort, sondern beherbergt auch ein umfassendes Archiv und stellt Künstlerinnen Ateliers zur Verfügung.
1981
Erste Frauendemo israelischer Frauen im Libanon
Eine der Organisatorinnen der Demonstration, Aurora Jakov, erklärt die Motivation der Frauen für ihr friedenspolitisches Engagement:
"Wir israelischen Frauen sind solidarisch mit der Forderung des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung - nicht zuletzt, um für unsere eigene zu kämpfen!"
Der Frauenprotest der Israelinnen erregt weltweites Aufsehen, kann aber die Eskalation im Libanon nicht aufhalten.
1981
Erstmalig geht der "Goldene Löwe" an eine Frau
Margarethe von Trotta erhält für ihren dritten Spielfilm "Die bleierne Zeit" die höchste Auszeichnung in Venedig, außerdem den Fipresci-Preis der internationalen Kritikervereinigung und ein Jahr später das Filmband in Gold, die höchste deutsche Auszeichnung. Während der Jahre 1980 / 81 werden in der Bundesrepublik eine Reihe von "Frauenfilmen" gedreht, wie etwa "Freak Orleando" von Ulrike Ottinger, "Der subjektive Faktor" von Helke Sanders oder "Hungerjahre" von Jutta Brückner, die auf internationale Anerkennung stoßen.
Trotz dieser Erfolge bleibt die Situation der Frauen im Filmgeschäft ungünstig. Nur ein geringer Prozentsatz der Filme, die von der deutschen Filmförderungsanstalt (FFA) subventioniert werden, ist von Frauen produziert. Auch die Gremien, die darüber entscheiden, ob Filmprojekte finanziell unterstützt werden oder welche Filme mit Prädikaten ausgestattet werden, sind Männerdomänen. Um diesem Missstand abzuhelfen, gründeten Frauen 1979 den 'Verband der Filmemacherinnen', dem auch Margarethe von Trotta, Jutta Brückner und Helke Sanders angehören.
1982
Internationale Frauenkonferenz in Senegal
Auf der internationalen Frauenkonferenz in Dakar (Senegal) werden wie nie zuvor die verschiedenen Formen der Frauenunterdrückung in der sogenannten "Dritten Welt" der Öffentlichkeit bekannt gemacht, wie Genital-Verstümmelung, Polygamie, Religion und Analphabetismus.
1982
'Grand Prix d' Eurovision de la Chanson' für eine deutsche Sängerin
Die 17jährige Nicole Hohloch aus Neunkirchen im Saarland sticht mit ihrem pazifistischen, wenn auch süßlichen, Song "Ein bisschen Frieden" alle anderen Konkurrenten aus und landet vor den Beiträgen Israels und der Schweiz auf Platz eins. Nach dem sensationellen Sieg wird der Hit in kurzer Zeit 700.000 Mal in acht europäischen Sprachen verkauft.
1983
Militärischen Berufe für Frauen
In Schweden werden alle militärischen Berufe für Frauen geöffnet.
Auch in anderen europäischen Ländern, u.a. in der BRD, reißt die Diskussion um die Frage, ob Frauen zum Militärdienst eingezogen werden sollen oder dürfen, nicht ab. Die Auseinandersetzung um dieses Problem wird sehr kontrovers geführt. Von beiden Seiten wird dabei die Emanzipation der Frau als Argument benutzt.
Bereits während des II. Weltkrieges kämpften sowjetische Soldatinnen Seite an Seite mit ihren männlichen Kollegen gegen NAZI-Deutschland. Das Foto zeigt zwei Soldatinnen während der Leningrader Blockade zwischen 1941 -1944.
1983
Erste Konferenz gegen Frauenhandel
Ziel der Tagung in Rotterdam ist es, eine Initiative zu gründen, die die sexuelle Versklavung von Frauen und den Frauenhandel bekämpft. Sowohl der Sextourismus von europäischen und amerikanischen Männern nach Südostasien als auch der Menschenhandel, hauptsächlich mit asiatischen Frauen, nimmt immer mehr zu. Frauen und Mädchen von den Philippinen und aus Thailand werden von heiratswilligen Europäern wie eine Ware über skrupellose Händler per Katalog bestellt. Europäische Zuhälter und Bordellbesitzer 'importieren' asiatische Frauen, die oft unter Vorspiegelung falscher Tatsachen nach Europa gelockt worden sind und hier zur Prostitution gezwungen werden. Auch in Asien selbst nimmt die sexuelle Versklavung von Frauen durch finanzkräftige Europäer immer größere Ausmaße an. Allein in Thailand prostituiert sich jede dritte Frau immer oder zeitweise.
Darunter befinden sich mehr als 200.000 Kinder ab neun Jahren, zumeist Mädchen. 70% aller Touristen in Thailand sind allein reisende Männer, die die in Thailand öffentlich verbotene Prostitution in Gang halten.
1983
DIE GRÜNEN - eine neue Partei in Deutschland
Nach den Wahlen zum 10. Deutschen Bundestag ziehen erstmals DIE GRÜNEN mit 27 Mandaten ins Parlament ein.
DIE GRÜNEN sind die erste Partei, die die Frauenparität in ihr Programm aufnimmt. Ein Jahr später setzt sich sogar eine Frauenliste an der Parteispitze durch. Das 'Feminat' ruft bei den anderen Fraktionen und auch bei den Medien heftige Reaktionen hervor. Die wichtigste Vertreterin der Grünen ist Petra Kelly.
Am 19. Oktober 1992 wird sie zusammen mit ihrem Lebensgefährten, dem grünen Politiker Gert Bastian, tot aufgefunden. Der Ex-General erschoss zuerst Petra Kelly und dann sich selbst. Das Motiv des Doppel(selbst)mordes bleibt im Dunkeln
1984
Modemacherin Jil Sanders
Die Modemacherin Jil Sanders gilt als eine der erfolgreichsten deutschen Unternehmerinnen.
Ihr Imperium umfasst rund 100 Geschäfte in Deutschland, Großbritannien, USA und Italien.
1985
Netzwerk Feministischer Theologie
Es treffen sich Theologinnen aus der BRD, der Schweiz, den Niederlanden und den USA zur Gründung eines Netzwerkes Feministischer Theologie.
1985
Gen- und Reproduktionstechnik
Deutsche Frauen organisieren eine Konferenz gegen Gen- und Reproduktionstechnik.
Ziel der Bonner Tagung ist es, die Gefahren der neuen Technologie zu diskutieren und Widerstand dagegen zu organisieren. Themen wie künstliche Befruchtung, Leihmutterschaft und ein möglicher sozialer, eugenischer oder rassischer Missbrauch stehen auf der Tagesordnung.
Heftige Kritik wird an den Medien geübt, die sehr unkritisch die Gentechnik als medizinische Errungenschaft darstellen, mit der Erbkrankheiten und Sterilität überwunden werden können.
1986
Corazón Aquino, erste Frau als Psäsidentin auf den Philippinen
Corazón Aquinoübernimmt nach einem unblutigen Putsch die Macht. 20 Jahre lang hat Ferdinand Marcos das Land diktatorisch regiert. Als Staatspräsidentin behauptet sich Aquino, Integrationsfigur des demokratischen Widerstands gegen das Marcos-Regime, gegen mehrere Putschversuche von rechts und von links. Ihre Anstrengungen zur Überwindung der wirtschaftlichen Misere des Landes und zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit bleiben jedoch weitgehend erfolglos.
Es gelingt ihr nicht, die Macht der Großgrundbesitzer einzuschränken, auch schafft sie es nicht, die Befugnisse des Militärs zu beschneiden. Als in der Bevölkerung die Unzufriedenheit wächst, verzichtet sie 1992 auf eine erneute Kandidatur für das höchste Amt im Staate.
1986
Erstmalig: Frauenministerium der BRD
Im Juni wird das erste Frauenministerium in der Bundesrepublik als Erweiterung des Ministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit eingerichtet.
1987
Zweifel an der Jungfräulichkeit Marias
Uta Ranke-Heinemann äußert Zweifel an der Jungfräulichkeit Marias.
Daraufhin wird der katholischen Theologie-Professorin vom Essener Bischof Franz Hengsbach die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen.
1987
Eine Deutsche führt die Tennis-Weltrangliste an
Steffi Graf löst damit Martina Navratilova (USA) ab, die seit November 1985 ununterbrochen an der Spitze stand. Bis zu ihrer Ablösung durch Martina Hingis im März 1997 steht Steffi Graf mit Unterbrechungen 377 Wochen - länger als jede andere Tennisspielerin - an der Spitze der Damenweltrangliste.
Ihre Karriere ist mit Superlativen gepflastert.
1987
Helene Pastoors erhält die Auszeichnung 'Frauen Europas'
Für ihre Verdienste wird eine Südafrikanerin mit dem Preis 'Frauen Europas' ausgezeichnet.
Die Soziologin Helene Pastoors sitzt in einem südafrikanischem Gefängnis wegen Hochverrats, weil sie nicht aufhören konnte, auf die verheerenden Folgen der Apartheidspolitik aufmerksam zu machen, die die Frauen mit besonderer Härte trifft.
1987
Porno-Star avanciert zur Politikerin
Ilona Staller, genannt Cicciolina, wird Abgeordnete im italienischen Parlament. Die Wahl der gebürtigen Ungarin, die die Öffentlichkeit immer wieder durch spektakuläre Aktionen entsetzt, ruft heftige Proteste hervor. Ilona Staller kontert:
"Im Parlament gibt es Riesenschweine, die viel obszöner sind als ich."
1988
Die tatsächliche Leistung der Hausfrauen
In der BRD wird eine Studie erstellt, aus der hervor geht, dass Hausfrauen pro Woche bis zu 80 Stunden arbeiten und damit einen Gegenwert von 3700 DM monatlich erhalten müssten.
1988
Erste Regierungschefin im islamischen Kulturkreis
Benazir Bhutto wird als Staatspräsidentin von Pakistan vereidigt. Die Tochter des 1977 gestürzten und später hingerichteten Ministerpräsidenten Zulfikar Ali-Khan Bhutto verfügt über keine ausreichende Parlamentsmehrheit, viele ihrer Reformvorhaben verlaufen im Sande. 1990 wird sie unter dem Vorwurf der Korruption gestürzt, drei Jahre später wiedergewählt und 1996 wieder des Amtes enthoben.
1988
'Das schönste Gesicht des Sozialismus'
so wird Katarina Witt liebevoll benannt.
Sie ist jahrelang das Aushängeschild des DDR-Sports. Mit ihren künstlerischen Darbietungen auf dem Eis - aber auch mit ihrer natürlichen Ausstrahlung - gewinnt die erfolgreichste Eiskunstläuferin aller Zeiten Sympathien in Ost und West.
1989
Vergewaltigung in der Ehe wird zur Straftat
Die Zeiten, als man Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung als Kavaliersdelikte ansah, sind endgültig vorbei. Den Anfang macht Österreich mit einem dementsprechenden Gesetz.
1989
Friedliche Revolution in Deutschland
Am 9. November fällt die Berliner Mauer. Die Menschen in beiden Teilen Deutschlands und im Ausland freuen sich. Dass es soweit kam, ist nicht zuletzt ein Verdienst der Frauen. Sie sind die Vorkämpferinnen für diese friedliche Revolution, sie kämpfen gegen die gesellschaftlichen Missstände an, werden Opfer staatlicher Gewalt und nehmen teil an den Montagsdemonstrationen.
Nach der Öffnung der Mauer bilden sich überall in der DDR Fraueninitiativen, die mit ihrem Engagement sicherstellen wollen, dass sich die Erneuerung der Gesellschaft nicht ohne die Frauen und schon gar nicht gegen ihre Interessen vollzieht. Bereits am 3. Dezember gründet sich der unabhängige Frauenverband als politische Interessenvertretung und Alternative zum Demokratischen Frauenbund Deutschlands, der bisher einzigen offiziellen Frauenorganisation der DDR.
1990
Freie Wahlen in der DDR
In der Deutschen Demokratischen Republik schließen sich die Initiativen "Demokratie jetzt", "Initiative für Frieden und Menschenrechte" und "Neues Forum" für die Volkskammerwahl am 18. März zum "Bündnis 90" zusammen. Auf der konstituierenden Sitzung am 5. April wird die Ärztin Sabine Bergmann-Pohl (CDU) zur Parlamentspräsidentin gewählt
1990
Die DDR tritt der BRD bei
Damit endet nach 41 Jahren die Existenz der DDR, und Deutschland erhält seine volle Souveränität zurück. Ein Jahr nach dem Fall der Mauer haben die Menschen in Deutschland erkannt, daß sich in 40 Jahren gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Unterschiede entwickelt haben, die sich so schnell nicht beseitigen lassen.
Bis März 1993 sollen 64 Vertreter und Vertreterinnen des Deutschen Bundestages einen Entwurf für eine neue Verfassung des vereinten Deutschlands entwickeln. Die Frauen fordern unter anderem, der Staat solle die Gleichberechtigung von Männern und Frauen fördern und Rahmenbedingungen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei Frauen und Männern schaffen. Nicht mehr die Ehe, sondern das Zusammenleben mit Kindern soll künftig unter dem besonderen Schutz des Staates stehen. Daneben fordern die Frauen das Recht auf selbstbestimmte Schwangerschaft und eine Verfassungssprache, die Frauen nicht mehr ausgrenzt.