Tag um Tag, Nacht um Nacht (1981)

Ein Film über mögliche Folgen des sexuellen Mißbrauchs

" Tag um Tag, Nacht um Nacht" ist ein dokumentarischer Spielfilm, in dem inszenierte und dokumentarische Teile ineinander greifen. Die Hauptdarstellerin Renate, spielt tägliche und typische Situationen ihres Lebens nach. Die Verzahnung von dokumentarischen Beobachtungen/ Berichten und spielfilmartigen Verdichtungen ermöglichen es, Renates Leben zu schildern und Zusammenhänge zwischen Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft sichtbar werden zu lassen.

Renates sich wiederholende Lebensangebote bestimmen die Form: Der Film beginnt und endet am Morgen, wenn sie von der Arbeit kommt. Dazwischen liegen der Tag und die Nacht, die Arbeiten und Erinnerungen - ein exemplarisches Leben:

  • Als Kind wurde sie von ihrem Vater sexuell missbraucht, heute arbeitet sie als Prostituierte.
  • Als Kind wuchs sie in einer gewalttätigen Atmosphäre auf, heute fühlt sie sich immer noch zu brutalen Männern hingezogen und verachtet die anderen.
  • Als Kind lebte sie in Armut und Elendsvierteln, heute wohnt sie in Duisburg-Bruckhausen, vis-a-vis des größten Stahlwerks im Ruhrgebiet.

Die Prostituierte verliert für den Betrachter den Objektcharakter und wird zu einem Menschen,  der ein Leben führt mit alltäglichen Verpflichtungen, Sorgen, Ängsten und Kämpfen.

In den 1970er/ 1980er Jahren organisierten wir – die Mitglieder er Filmgruppe Düsseldorf – unsere Filmvorführungen immer in Eigenregie. Unsere Zuschauer mussten wir erst finden – so etwas wie Vertriebsstruktur gab es noch nicht. Also malten und druckten wir die Plakate und Handzettel, die auf unsere Filme aufmerksam machen sollten, selbst, verteilten sie in Kneipen, Kinos – überall dort wo wir interessierten Menschen vermuteten.

Hartmut Kaminski bündelte die vielfältige Filmszene in NRW indem er zwei Kataloge herausgab:

1978: FILMLANDSCHAFT NRW – Regisseure stellen sich vor
1980: FILMLANDSCHAFT NRW – Regisseure stellen sich vor  - neue Leute, neue Filme

In beiden Katalogen finden Sie eine Vielfalt von Artikeln,  die das Entstehen, die Weiterentwicklung und die Problem beim Aufbau einer Förder- und Vertriebsstruktur  thematisieren.
Darüber hinaus werden die einzelnen Filme knapp und informativ  vorgestellt.
Beide Kataloge können Sie in unserem Archiv einsehen.

Nein, mit hochspezialisierten Filmateliers, mit Monumental­ Produktionen und einem spektakulären Aufgebot an Stars und Regisseuren ist hierzulande nicht zu prunken. Kein Hollywood zwischen Aachen und Münster, zwischen Kleve und Siegen, nicht einmal ein Hauch von Babelsberg und Grünwald, den Zentren ost­ und westdeutscher Filmindustrie. Professionalität behauptet sich allenfalls beim WDR, neuerdings auch bei einigen Firmen in Essen, Wuppertal und Düsseldorf. In eine ernsthafte Konkurrenz treten da nur die Bereiche des Werbefilms und etliche filmtechnische Betriebe, die allerdings den Vergleich mit den Unternehmen in den bekannten Großzentren München, Berlin oder Hamburg nicht zu scheuen brauchen.

Das Land an Rhein und Ruhr hat sich einmal in der Frühzeit der Kinematographie hervorgetan, als etwa 1911 in Düsseldorf die ersten Sittenfilme heruntergekurbelt und hier die heute noch gültigen Grundlagen der Filmdistribution festgelegt wurden.

Aber selbst Künstler wie Käutner, Rühmann, Gründgens, Wenders u.a. haben immer nur ein mehr distanziertes Verhältnis zu ihren Heimatorten aufgebracht und selten hier gedreht.

So mutet es denn auch mehr als verblüffend an, dass nach zaghaften Versuchen in den späten fünfziger und in den sechziger Jahren seit etwa 1970 hier eine stattliche Anzahl zumeist kurzer Filme entstand - die, so unvollkommen sie im Einzelfall sein mögen - eine Vielfalt ausweisen, die ihresgleichen nicht im Bundesgebiet hat, was von mir auf die Distanz zu den großen Zentren zurückgeführt wird. Die oftmals "zusammengebastelten" Filme haben einen Standard an persönlicher Farbigkeit und Qualität erreicht, der verblüfft und Anerkennung verdient.

Herausgebildet haben sich mehrere Gruppen  von Filmschaffenden, die durchaus ganz unterschiedliche Ziel- und Stilvorstellungen vertreten. Neben Köln, wo der WDR überraschend geringe künstlerische Inspiration zu verbreiten scheint, sind vor allem Essen und Düsseldorf als Kulminationspunkte zu nennen, wobei insbesondere im Rhein-Ruhr-Gebiet junge Filmemacher ebenfalls begonnen haben, ihre Arbeiten herzustellen.  Zurückhaltender ist diese Tendenz in Westfalen selbst zu beobachten: Bielefeld ist da vielleicht zu nennen, während in Münster erste Ansätze wieder versickerten und erst neuerdings eine Belebung durch die Filmklasse an der dortigen Kunstakademie erfahren.

Das Filmschaffen in NRW berührt ziemlich alle Bereiche: vom professionellen Spielfilm bis zur experimentellen Studie, vom kinogeeigneten Kurzspielfilm bis zur durchgearbeiteten Dokumentation, vom Animationsfilm bis zu den fröhlich-anarchistichen Spektakeln der Entenproduktion Köln. Diese Palette wird - und darin liegt ihre überlokale und zugleich internationale Bedeutung - bereichert durch die Erprobung neuer visueller Ausdrucksmöglichkeiten.

Hier seien nur stellvertretend für viele andere die Doppelprojektion „Der Gerechte Krieg 1525" von Kaminski/Mommartz, die Dia-Varitationen von Bert Günther, die Trickfilme von Geza Pernetzky und die surrealistischen Etüden von Paul Anczikowsky neben vielen anderen genannt, deren Aufzählung diesen Rahmen sprengen würde und deren Nichtnennung in keinem Fall ein Qualitätsurteil bedeutet.

Einer Beschränkung war die Auswahl der Beiträge für das Tournee-Programm unterworfen. Obgleich es eine Vielzahl verschiedener Autoren und Filmbeispiele umfasst, bleibt das Gesamtangebot fragmentarisch. So musste aus Zeitgründen etwa auf Falk Lenhards "Spätsommerfilm" ebenso verzichtet werden wie auf einen weiteren Beitrag der Entenproduktion, deren Vielfalt mit einem einzigen Film nicht einmal umrissen werden kann. Das Kurzfilmprogramm enthält nur Beispiele des normalen Kino-Vorfilms zugunsten wichtiger unabhängiger Produktionen. Und auch der Dokumentarfilm ist nur in einigen wenigen Exemplaren vertreten. Ebenfalls fielen dieser Beschränkung die zahlreichen, teilweise perfekten Arbeiten der Filmklassen an den Kunstakademien in Düsseldorf und Münster sowie des Theaterwissenschaftlichen Instituts in Köln-Porz zum Opfer, so dass die insgesamt 6 Programmblöcke nur die Werke freischaffender Künstler und Filmemacher aufweisen. Die Auswahl enthält fast ausschließlich Produktionen, die entweder mit Preisen auf Festivals, Ausstellungen oder des Bundesinnenministeriums ausgezeichnet wurden oder ein Prädikat der Filmbewertungsstelle der Länder und/ oder sonstige Förderung erhielten. Damit ist beabsichtigt, ein gewisses Maß an Neutralität zu gewährleisten, indem auf die Urteile der Fachleute zurückgegriffen wird.

Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hat bis in die sechziger Jahre hinein etwa 380 Kurzfilmproduktionen aus Mitteln der Vergnügungssteuer gefördert. Interessanterweise fielen die Beiträge zumeist den Filmschaffenden zu, die in München oder in anderen Filmzentren arbeiteten. Für die Region hingegen war das Ergebnis mehr als mager. Heute, da diese Mittel längst nicht mehr bereitstehen, hat sich der Sachverhalt ins Gegenteil gewendet. Aber vom "Kuratorium Junger Deutscher Film", das für die Nachwuchsförderung in der Bundesrepublik zuständig ist, sind finanzielle  Mittel so gut wie nie nach NRW zurückgeflossen. Vielmehr ist in den letzten Jahren hier das Bundesinnenministerium, das lediglich für Spitzenleistungen des deutschen Films zuständig ist, aber in großzügiger Weise dem Nachwuchs in der Bundesrepublik die einzige wirkliche und wirksame Chance einräumt, eingesprungen. Regionale Hilfen wie durch Landesverbände kamen vereinzelt hinzu. Die Stadt Düsseldorf richtet seit 1977 sukzessive eine Filmer-Werkstatt aus Mitteln der Künstlerförderung ein und betätigt sich hier als Mäzen wie sie das in anderen Kunstbereichen auch für notwendig hält. Der WDR hilft ebenfalls.

Angesichts dieser Entwicklung wäre es zu hoffen, dass sich auch das Land NRW entschließt, diesen Augenblick der künstlerischen Produktivität als finanzstärkstes Bundesland und angesichts des erwachenden Wettbewerbsdenkens von Bayern und Berlin zu nutzen und hier eine Eigenständigkeit und künstlerisch-experi­mentelle Individualität zu fördern, der zur Zeit vergleichbares im westdeutschen Filmschaffen nicht zur Seite zu stellen ist.

Klaus Jaeger,
Leiter des FilmforumDüsseldorf