Das 20. Jahrhundert
Das vergangene 20. Jahrhundert wird aus dem Blickwinkel der Frau reflektiert.
Der tiefgreifende gesellschaftliche Wandel zu Beginn des gerade vergangenen Jahrhunderts wurde nicht nur in der Kunst sichtbar, sondern auch im Verhältnis der Geschlechter zueinander: Nun meldeten sich auch die Frauen zu Wort, formulierten neue Erwartungen an die Zukunft und konnten im Laufe der Zeit unerhört vieles erreichen - den Zugang zu Bildungseinrichtungen, politische Mitsprache, Ausübung qualifizierter Berufe, finanzielle Selbständigkeit usw.
Für jedes Jahr kann mindestens ein frauengeschichtliches Ereignis aufgerufen werden, das FRAU zum ersten Mal erreicht hat.
Zweites Jahrzehnt (1911 - 1920) mit 20 herausragenden Errungenschaften von Frauen
1911
Internationaler Frauentag
Am 19. 3. gehen mehr als eine Millionen Frauen im Deutschen Reich, in Österreich, Dänemark und der Schweiz auf die Straße, um ihrer Forderung nach dem Frauenwahlrecht Nachdruck zu verleihen. Eine solchen Massenbewegung hat es bisher nicht gegeben. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands bringt ein Flugblatt mit einer Auflage von 2,5 Mio. unter die Leute; Clara Zetkin gibt eine spezielle Agitationszeitung für das Frauenwahlrecht heraus. Der Erfolg des Tages übertrifft alle Erwartungen. 1912 schließen sich auch die Frauen Frankreichs, der Niederlanden und Schwedens an, 1913 wird die Idee des Internationalen Frauentages auch im zaristischen Rußland publik.
1921 wurde sein Datum durch einen Beschluss der Zweiten Internationalen Konferenz kommunistischer Frauen in Moskau endgültig auf den 8. März gelegt.
1912
Mit Hämmern und Steinen
Das englische Parlament ignoriert seit Jahrzehnten die Anträge der Frauen auf Wahlberechtigung. Am 4. März greifen Hunderte von Frauen zu gewalttätigen Mitteln und zertrümmern, teils mit Hämmern, teils mit Steinen bewaffnet, Schaufenster in der City und im Westend Londons. Der Schaden beträgt mehr als 100.000 Mark und hat folgende Botschaft: "... die Frauen wollen nicht mehr dulden, daß mit Frauenleben gespielt wird, und wer dem Gesetz gehorchen soll, soll es auch machen."
1912
Gebärstreik
Alma Wartenberg macht am 28. 10. in Schraplau (Sachsen) für den sog. Gebärstreik Propaganda mit dem Argument, die Frau müsse doch 'Herrin über ihren eigenen Körper bleiben'. Sie sieht im Gebärstreik ein politisches Kampfmittel, um den Staat zur Verbesserung des sozialen Elends zu bewegen.
In Berlin veranstalten die Sozialdemokraten eine Kundgebung 'Gegen den Gebärstreik'. Auch Rosa Luxemburg und Clara Zetkin sind gegen diese Geburtenkontrolle, da für den großen Befreiungskampf der Arbeiterklasse die Massen gebraucht würden.
1913
Belgierin im Himalaja
Die Belgierin Alexandra David-Neel bleibt 32 Jahr lang im Himalaja. In dieser Zeit lernt sie die tibetanischen Dialekte und gewinnt das Vertrauen der Gelehrten. Ihre Studien und Reisebeschreibungen über den tibetanischen Buddhismus gelten in der Fachwelt als Pionierarbeit.
1913
Herrenhaarschnitt
Das erste Mal taucht in Paris der 'Herrenhaarschnitt' auf
Davon beeindruckt, läßt sich drei Jahre später die Modeschöpferin Coco Chanel die Haare kurz schneiden.
1914
Patriotin gegen Pazifistin
1. August: Der Beginn des Ersten Weltkrieges führt in allen Ländern zu einer Konfrontation zwischen denjenigen, die die Mobilmachung befürworten, den Patriotinnen, und denen, die sie ablehnen, den Pazifistinnen. Viele Frauen werden aktiv, arbeiten in der Friedensbewegung mit und knüpfen internationale Kontakte. Der erste große Erfolg dieser Zusammenarbeit ist der 'Frauen-Friedens-Kongreß' in Den Haag.
1914
Stummfilmstar
Die in Deutschland lebende dänische Schauspielerin Asta Nielsen avanciert mit ihrem Film "Engelein" zu Stummfilmstar. Sie ist eine der ersten, die ihr Spiel ganz und gar dem neuen Medium Stummfilm anpaßt. Mit 18 Jahren hat die aus ärmlichen Verhältnissen stammende Asta Nielsen ihr Bühnendebüt. Mit Urban Gad, dem ersten ihrer vier Ehemänner, ging sie nach Deutschland, wo sie insgesamt in 78 Filmen mitwirkt. Den Sprung zum Tonfilm schaffte sie nicht wegen ihres dänischen Akzentes.
1915
Frauen-Friedenskomferenz
Die Initiative zur 1. Frauenfriedenskonferenz mit internationaler Beteiligung geht von der Sozialreformerin Jane Addams (USA) aus, die auch die Präsidentin dieser Konferenz ist. Frauen aus neutralen und kriegführenden Ländern kommen vom 18.4 - 1.5. in Den Haag zusammen, um "gegen das furchtbare Unrecht, dem Frauen in Kriegszeiten ausgesetzt sind, und besonders gegen die entsetzlichen Vergewaltigungen zu protestieren." Jane Addams erhält 1931, 72 jährig, den Friedensnobelpreis.
1916
Skandal um Frauenfrage
Im Züricher Cabaret Voltaire findet die erste Dada-Ausstellung statt. Künstlerinnen wie Sophie Taeuber, Emmy Hennings und Hannah Höch sind ihre wichtigsten Vertreterinnen, aber auch Mary Wigman führt bei Dada-Veranstaltungen ihre Ausdruckstänze vor.
Der Dadaismus ist eine literarisch-künstlerische Bewegung, die als Reaktion auf den I. Weltkrieg mit allen Kunsttraditionen bricht und ein spektakuläres antibürgerliches Programm entwickelt.
1917
1. Ministerin ist eine Russin
Wladimir Iljitsch Lenin beruft Alexandra Kollontai zur Ministerin für soziale Fragen. 1924 tritt sie als erste Botschafterin ihren diplomatischen Dienst in Norwegen an und erobert so die bis dahin für Frauen verschlossene Männerbastion der Diplomatie.
1917
Soldatinnen und Etappenhelferinnen
Soldatinnen in Rußland
Die provisorische Regierung Rußlands stellt ein Frauenbataillon auf, das den Winterpalais in St. Petersburg, den Sitz der Regierung, am 6. / 7. November gegen die anrückenden Revolutionäre verteidigen soll.
'Etappenhelferinnen' im Deutschen Reich
Aufgrund der ungeheuren Menschenverluste an der Front werden nun auch Frauen in der Etappe, den Gebieten zwischen Front und Heimat, eingesetzt. Im Straßenbau, bei der Aushebung von Unterständen, bei der Anlage von Flugplätzen und auch bei Hafenarbeiten leisten sie schwerste körperliche Arbeit.
1918
Fauen Wahlrecht in Deutschland, Großbritannien, Irland und Luxemburg
Die Novemberrevolution hat für Deutschland drei wichtige Folgen: 1. die Abdankung des Kaisers, 2. die Ausrufung der Republik und 3. ist sie auch die Geburtsstunde des Frauenwahlrechts. Zu den wichtigsten Vorkämpferinnen für das Wahlrecht gehören u.a. Minna Cauer, Rosa Luxemburg und Clara Zetkin. Am 19. 1. 1919 wählen Frauen erstmalig zusammen mit den Männern die Mitglieder der Nationalversammlung.
1918 erlangen auch die Frauen in Großbritannien, Irland und Luxemburg das Wahlrecht.
1919
"sinnlose Opfer' für einen hirnverbrannten Wahnsinn"
Käthe Kollwitz wird Mitglied der Preußischen Akademie der Künste
In ihrer Holzschnittfolge 'Der Krieg' trägt die Frau das Leid der Menschheit. Sogar im Krieg trifft sie eine noch schwerere Last als die Männer, da sie die Toten zu beklagen hat. Die 'sinnlosen Opfer' für einen 'hirnverbrannten Wahnsinn' beschäftigen Käthe Kollwitz ein Leben lang. 1933 zwingen die Nazis sie zum Austritt aus der Preußischen Akademie der Künste.
1919
1. Frauen-Rede in Deutscher Nationalversammlung
Die deutsche Sozialreformerin, Sozialdemokratin und Frauenrechtlerin Maria Juchacz hält am 19. Februar als 1. Frau eine Rede in der Deutschen Nationalversammlung.
Am 13. Dez. gründet sie den Hauptausschuß für die Arbeiterwohlfahrt, um die diskriminierende öffentliche 'Armenpflege' der Kaiserzeit durch ein modernes Fürsorgegesetz zu überwinden. Die Notlage nach Ende des ersten Krieges läßt den Gedanken entstehen, die Kräfte in einer zentralen Arbeiterwohlfahrtsorganisation zu bündeln.
Außerdem gibt sie seit 1917 die sozialdemokratische Zeitung 'Die Gleichheit' heraus.
1919
Frauenfrage in China
Die Studentenrevolte "Vierte Mai Bewegung" stellt das traditionelle Erbe Chinas in Frage. Die Diskussion konzentriert sich auf das chinesische Familienleben und auf die Frauen.
Damit ihre Isolierung im Haus zurückgedrängt wird, werden Bildungs- und Berufsmöglichkeiten sowie Rechte für die Frau gefordert: Recht, den Ehemann man selbst zu wählen; Recht der Witwe zur Wiederverheiratung.
Im Laufe der nächsten Jahre werden immer mehr Ausbildungsmöglichkeiten für Frauen geschaffen, immer mehr Frauen werden berufstätig und verdienen eigenes Geld.
1920
Würdigung von mehr als 5000 Frauen-Patente
Die Erfindergabe von Frauen wird offiziell gewürdigt. Im US-amerikanischen Arbeitsministerium wird eine Frauenabteilung eingerichtet, die ermittelt, dass in den letzten 15 Jahren über 5015 Patente an Frauen erteilt worden sind. An erster Stelle stehen Erfindungen, die den Haushalt betreffen wie z.B. Geräte, Möbel, etc. Die zweite Gruppe der Erfindungen bezieht sich auf Bekleidung und Gegenstände des persönlichen Bedarfs, danach kommen verschiedenen Artikel, wie Bestecke oder Werkzeuge aber auch Näh- und Strickmaschinen. Nicht so viele Erfindungen werden registriert auf den Gebieten Transportwesen, Land- und Forstwirtschaft, oder Freizeitartikel und vieles mehr.
1920
Eine Sportlerin wird zur Tenniskönigin
Die Französin Suzanne Lenglen holt sich in Wimbledon alle drei Titel im Einzel, im Doppel und im Mixed. Sie wird zur 'Tenniskönigin', zum ersten weiblichen Weltstar im Sport - die Presse feiert sie als die 'Göttliche'.
1920
Mary Wigman's Ausdruckstanz
Mary Wigman gründet in Dresden die 'Tanzschule des phantasievollen Ausdruckstanzes', in der sie 'die Gefühle der Tanzenden und ihre frei improvisierten Bewegungen' fördert. Die Musik wird dem Tanz untergeordnet, manchmal sogar ganz auf sie verzichtet, damit 'der Körper ganz aus dem Innern schwingen kann'.
1920
Frauen bei der Roten Ruhrarmee
Im Kampf der Roten Ruhrarmee beteiligen sich Frauen und Mädchen gegen die rechtsgerichteten Kapp-Putschisten, Freikorps und Reichswehreinheiten im Ruhrgebiet.
Sie kämpfen als Sanitätsschwestern, Kuriere und Küchenkräfte gegen die politische Entwicklung, die als Rückschritt gegenüber den Zielen der Novemberrevolution von 1918 wahrgenommen wird.