Das 20. Jahrhundert
Das vergangene 20. Jahrhundert wird aus dem Blickwinkel der Frau reflektiert.
Der tiefgreifende gesellschaftliche Wandel zu Beginn des gerade vergangenen Jahrhunderts wurde nicht nur in der Kunst sichtbar, sondern auch im Verhältnis der Geschlechter zueinander: Nun meldeten sich auch die Frauen zu Wort, formulierten neue Erwartungen an die Zukunft und konnten im Laufe der Zeit unerhört vieles erreichen - den Zugang zu Bildungseinrichtungen, politische Mitsprache, Ausübung qualifizierter Berufe, finanzielle Selbständigkeit usw.
Für jedes Jahr kann mindestens ein frauengeschichtliches Ereignis aufgerufen werden, das FRAU zum ersten Mal erreicht hat.
Drittes Jahrzehnt (1921 - 1930) mit 16 herausragenden Errungenschaften von Frauen
1921
8. März: Internationaler Frauentag
Der Internationale Frauentag wird auf den 8. März festgesetzt: In Moskau beschließen die sozialistischen Frauen, den 8. März in Erinnerung an den Textilarbeiterinnenstreik 1917 in Petrograd, der sozusagen den 'Startschuß' für die Februarrevolution in Russland gab, als einheitlichen Termin für den Internationalen Frauentag festzusetzen.
1921
Pen-Club
Der PEN-Club wird ins Leben gerufen: Die britische Schriftstellerin Catherine Amy Dawson-Skott gründet in London die internationale Schriftstellervereinigung PEN-Club.
1921
1. Mädchenschule in Afghanistan
Die erste Mädchenschule in Afghanistan entsteht: Sie heißt 'Masturat', was soviel bedeutet wie 'Die Versteckten'.
Ein kleiner Palast wurden zur Schule. Soraya - Ehefrau des Reformkönigs Amanullah - war die Schutzpatronin der Schule, ihre Mutter wurde zur Vorsteherin bestimmt. Zwei ihrer Nichten, Bilquis und Ruh Afza, arbeiteten als Rektorin und Konrektorin.
Aus der anfänglichen Primarschule entwickelte sich bis zum Ende der Regierungszeit Amanullahs, (1929) die erste Mittelschule und noch zwei weitere Mädchenschulen, die von ca. 700 Schülerinnen besucht wurden.
1921 gaben Asma Rasmiya (Mutter der Königin Soraya) unterstützt von ihrer Nichte Ruh Afza, die este Frauenzeitschrift "Leitfaden der Frau" heraus. Das vierseitige Blättchen erschien bis 1925 regelmäßig und enthielt Artikel über die Rechte der Frau, Kinderpflege, Hauswirtschaft und gutes Benehmen.
1921
'Mutter' der Relativitätstheorie
Als Albert Einstein den Nobelpreises für Physik entgegennimmt, überreicht er die Geldsumme, die mit der Auszeichnung verbunden ist, seiner geschiedenen Frau Mileva Einstein. Er bekommt den Ruhm, sie das Geld - nicht nur für die Erziehung der gemeinsamen Kinder, sondern weil sie entscheidend zum Nobelpreis beigetragen hat.
Der Nobelpreis beruht u.a. auf Veröffentlichungen aus dem Jahre 1905 über die Relativitätstheorie: "Das war für mich eine große Überraschung" wunderte sich damals ein Professor, "denn Einstein war ein großer Faulpelz, und für Mathematik interessierte er sich überhaupt nicht". Dafür war seine Frau zuständig. "Ich brauche meine Frau. Sie löst alle meine mathematischen Probleme", sagt Einstein 1903, dem Jahr der Eheschließung. Bescheiden verzichtet die gebürtige Serbin Mileva Maric bei der Veröffentlichung auf ihren Namen, weil - wie sie erklärend schreibt - "wir ja nur ein Stein sind."
1922
literarisch-politisches Kabarett
Trude Hesterberg gründet ein literarisch-politisches Kabarett: Sie eröffnet im Keller des 'Theater des Westens' in Berlin "Die wilde Bühne". Sie ist nicht nur die künstlerische Leiterin, sondern auch die wichtigste Darstellerin.
1922
Eine sehr seltene Auszeichnungen für Frauen
Die britische Komponistin Ethel Smyth wird zur "Dame of the British Empire" ernannt.
1905 verliebt sie sich in die britische Frauenrechtlerin Emmeline Punkhurst und unterstützt seit dem die Suffragetten tatkräftig - u.a. komponiert sie den "Marsch der Frauen", der zur Hymne der Frauenbewegung wird. Insgesamt komponiert die Engländerin sechs Opern, Orchestermusik, Kammermusik, Lieder und Chormusik.
1923
Zwei Frauen werden zu Professorinnen ernannt
Die Berufung der Naturwissenschaftlerin Margarethe von Wrangell an die Landwirtschaftliche Hochschule in Hohenheim ist mit dem Auftrag verbunden, ein eigenes Forschungslabor einzurichten.
Als zweite deutsche Frau erhält im gleichen Jahr die Pädagogin und Soziologin Mathilde Vaerting in Jena eine ordentliche Professur.
1924
Die erste Sexualberatungsstelle
Der Deutsche Bund für Mutterschutz gründet in Hamburg die erste Sexualberatungsstelle, um über Verhütung und Vermeidung von Geschlechtskrankheiten aufklären zu können. Das Informationsbedürfnis ist so groß, daß in kürzester Zeit im ganzen Deutschen Reich solche Sexualberatungsstellen eingerichtet werden.
1925
Eine afroamerikanische Tänzerin begeistert Paris
Joséphine Baker wird barbusig, nur mit einem Satinslip und einem Bananenröckchen bekleidet, auf die Bühne getragen. Die Tänzerin verfällt in erotische Zuckungen, der ganze Körper vibriert. Wie ein Wirbelwind tanzt sie über die Bühne und schwingt Arme und Beine durch die Luft. Berühmt wird ihr hüpfendes Hinterteil, wonach ein neuer Tanz benannt wird: 'Black Bottom'. Mit ihrem freizügigen Auftreten und ihrem Song "I'm wild about Harry" beflügelt die Tänzerin die Fantasien der Männerwelt und trifft den internationalen Geschmack der Zeit. Mit ihr tritt der Charleston den Siegeszug durch Europa an. Die "schwarze Perle" von Paris spielt auch in Filmen mit und feiert als Chansonsängerin Erfolge. Während des Zweiten Weltkrieges gehört sie der französischen Résistance an. Nach dem Krieg engagiert sie sich für Waisenkinder.
1926
Schneller als alle Männer
Die US-amerikanische Schwimmerin Gertrude Ederle, Weltrekordlerin und Goldmedaillengewinnerin, stellt mit einer Zeit von 14 Stunden und 39 Minuten einen atemberaubenden Weltrekord auf. Sie ist damit schneller als die bisherigen - männlichen - Kanalbezwinger und wird in New York mit einer Konfettiparade empfangen.
1927
Mit dem Auto um die Welt
Zum ersten Mal startet eine Frau mit einem Auto eine Reise um die Welt: Clärenore Stinnes benötigt zwei Jahre für ihre Fahrt.
1928
Goldmedaille für eine deutsche Läuferin
Lina Radke-Batschauer gewinnt bei den Olympischen Spielen in Amsterdam im 800 m Lauf Gold. Den Sportlerinnen wird in diesem Jahr erstmalig erlaubt, an den olympischen Leichtathletik-Wettbewerben teilzunehmen. Sie schlagen alle bisher aufgestellten weiblichen Rekorde. Dies ist ein besonders süßer Erfolg, weil die Frauen gegen den ausdrücklichen Willen des Begründers der Olympischen Spiele der Neuzeit, Baron Pierre de Coubertin, zugelassen worden sind. Dieser will die Frauen nur als 'Zuschauerinnen' und in der Funktion 'die Sieger zu bekränzen' dabei haben.
1928
Stadtführer durch die Lesben-Szene Berlins
Die homosexuelle Schriftstellerin Ruth Margarete Roeling stellt in ihrem Buch 'Berlins lesbische Frauen' 14 Berliner Bars und Clubs vor. In diesen Kneipen werden vorzugsweise Zeitungen gelesen wie 'Die Freundin, Wochenblatt für die ideale Frauenfreundschaft'. Ab 1931 zählen diese Zeitschriften zur 'Schmutz-und Schundliteratur' und dürfen öffentlich nicht mehr ausgelegt werden.
1929
3,3 Millionen Unterschriften von Frauen
Weltweit sammeln Pazifistinnen 3,3 Millionen Unterschriften. Ein ganzer Lastwagen, beladen mit diesen Unterschriften, fährt zum Völkerbund nach Genf, um gegen die erneute Kriegsgefahr zu protestieren. Pazifistinnen aus aller Welt hatten sich 1919 zur IFFF, der 'Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit' zusammen geschlossen, die aus der Friedenskonferenz von 1915 hervorgegangen war.