Altäre, Igbodus, Gefäße

Kubanische Santaria

In Kuba musste ich oft an den Ausspruch von Joseph Beuys denken: 'Jeder Mensch ist ein Künstler'. Jeder Santero, jede Santera, die ich hier kennenlernte - ob in Matanzas, Havanna, Camagüey oder auf dem Dorfe - alle besaßen sie höchst eigenwillig gestaltete Götterschüsseln, Altäre, 'Igbodus'.

Zentrum der kubanischen Santeria ist der Stein, der 'Ota'. Auf ihm liegen die magischen Attribute der Mächte, also der Gottheiten. Diese polierten und runden Steine sind das Gefäß für die Götter, die materialisierte Göttlichkeit selbst.
Diese Steine werden in den zugedeckten Schüsseln aufbewahrt, dürfen an normalen Tagen weder angesehen noch berührt werden.
Lediglich während der Opferrituale werden die Schüsseln aufgedeckt, die Steine mit 'Osain' und dem Blut der Opfertiere übergossen. Erst danach sind sie heilige Orishas.

Es gibt aber auch Orishas - wie Eleggua, Ochosi, Ogun oder alle Gottheiten der 'Regla de Palo' - die durch offene Töpfe symbolisiert werden. Diese sind zwar nicht abgedeckt, dafür aber zu normalen Zeiten immer eingeschlossen in Schränken.

Über seine Orishas - die fundamentalen Heiligtümer - wacht jeder Gläubige wie über einen kostbaren Schatz. Die Schränke, in denen sie aufbewahrt werden, sind unauffällig und fest verschlossen, die Zimmer, in denen die Schränke stehen, oft nochmals mit schweren Eisenketten und einem Vorhängeschloss abgeriegelt.
Dieser heilige Raum, der 'Igbodu', ist ganz und gar das Werk jedes einzelnen Gläubigen. Er bestimmt, wie sein Altar aussieht. So verehrt jeder Santero seine individuell gestalteten Götter.

 

Igbodu


Das Wort igbodú stammt aus dem alten Yorubaland (heute Nigeria) und bezeichnet den Ort oder Raum, an dem die Zeremonien praktiziert werden, z.B. die Einführung (Initiation) in die Religion Santeria oder Regla de Palo oder Abaqua etc.

In diesem Raum befindet sich der Altar für den Orisha, dessen „Kind“ der Gläubige  ist.
Jede Zeremonie beginnt mit dem Bembe (auch bekannt als ‚Oru Seco’). Während des ersten Teils des Bembe spielen die Batá-Trommler um den Altar (Thron), den "Sitz" der Orishas.

Der Altar ist der Ort, an dem der Heilige (Orisha) in residiert.
Der Altar kann einfach oder aufwendig gestaltet sein. Einige von ihnen erinnern an komplexe Kunstwerke.
Manchmal gleicht der Altar einem Thron, gekrönt mit einem Stoffbaldachin an einer Wand oder Ecke, mit Wimpeln, oder eines besonders verehrten Orishas. Oft steht auch eine katholische Heiligenfigur an der Spitze.

Häufiger ist der Altar wie ein Regal konzipiert, in dem die Gefäße aufbewahrt werden, die die Geheimnisse der Orishas beherbergen.
Das vorherrschende Farbschema spiegelt die Farben des verehrten Orishas wieder.
Also Weiß für die Verehrung des Orishas Obatala; Blau für Yemaya Gelb für Ochun, Rot für Chango etc.

Der Altar ist sozusagen das 'Gesicht der Götter' (Yoruba) oder die 'Kreuzung/Grenze’ zwischen den Welten. Das Gebet findet immer von „Gesicht zu Gesicht“ statt, der Betende schaut also auf den Altar.

Die Schüsseln, Krüge, Töpfe, Schalen, Gefäße hüten das Geheimnis der afrokubanischen Religion: Steine, die die Orishas verkörpern.
Diese heiligen Steine müssen im Verborgenen bleiben. Zur Sklavenzeit war es den Schwarzen verboten, ihre Götter anzubeten.
Gibt es ein unauffälligeres Versteck als solche einfachen Gegenstände wie Tonkrüge oder Suppenschüsseln?

Zitat aus meinem Tagebuch
Dank meiner zwei engagierten Protagonisten konnte ich mich mehr und mehr in die afro-kubanischen Kulte einleben. Als sie mir anboten die ersten Weihen eines 'Initiationsritus' zu empfangen, sagt ich nicht nein. Danach war es mir erlaubt, an rituellen Opferfesten, an einigen geheimen Zeremonien und magischen Weissagungen teilzunehmen.
Deshalb durfte ich auch eine Begrüßungszeremonie und ihre Heiligen Bata -Trommeln filmen, ihre Göttergefäße und -altäre fotografieren und ihre rituelle Musik aufnehmen.
Mit den beiden einflussreichen Kultanhängern, Cutcho und Julio, traf ich folgende Vereinbarung: In ihren Räumen kann ich alles filmen, was für meinen Film wichtig ist, einschließlich der rituellen Opferfeste, der Weissagungen und anderer Rituale.
Es gibt nur eine Bedingung: Während der Filmaufnahmen müssen die 'Heiligen Steine', die 'Otas' aus den Göttergefäßen entfernt und durch profane Steine ersetzt werden.
Ein praktisches Beispiel für die wichtigsten Yoruba-Eigenschaften: Die List und die Schläue – oder anders ausgedrückt: Für den Erfindungsreichtum der Kubaner.