Mythologie der alten Yorubas
und die kubanischen Orishas
Nach der Yoruba-Mythologie kommt alles von Olofi. Er ist die personifizierte Lebenskraft (ase), die Lebensessenz von allem, was existiert.
Der oberste Gott - Olofi - befindet sich jenseits des menschlichen Verständnisses. Deswegen gibt es für ihn keine Kulte oder Riten, hat er weder Anbeter noch Altäre. Er ist unparteiisch und gleichgültig, er ist ein gerechter Gott, aber im Gegensatz zum Christengott ohne Liebe.
Olofi schuf Obatala, die große kosmische Einheit, aus der viele andere Götter hervorgingen, die den Yoruba-Pantheon bevölkern.
Diese Gottheiten, die 'Orishas', stellen die Verbindung zum höchsten Gott - Olofi - her.
Mit den Orishas muss man sich gut stehen, ihnen muss man Opfer bringen, ihnen kann man sich anvertrauen, sie um Rat fragen. Das gesamte tägliche Leben ist vom Wohlwollen der Orishas abhängig. Ohne ihre Entscheidung oder ihr Zugeständnis kann nichts im Leben der Gläubigen geschehen. Krankheiten, wirtschaftliche Sorgen, Liebesprobleme - für all dieses holt man ihre Ratschläge ein.
Die Orishas geben ihre Meinung oder Prophezeiungen zu den Lebensfragen durch drei verschiedene Wahrsagungssysteme kund, die Orakel: 'Obi', den 'Dilogun', den 'Ifa'. Jeder Wahrsager muss ein Experte sein, muss das System, welches er auf Grund seiner Zugehörigkeit zu einem bestimmten Orisha ausüben darf, voll und ganz beherrschen.
Orishas
Kurzbeschreibung der afrokubanischen Heiligen
Eleggua
Eleggua ist verhängnisvoll und großzügig wie ein Kind. Er ist alt und jung. Er ist göttlicher Führer und gleichzeitig veranlasst er, dass der Mensch sich auf seinen Schicksalswegen verläuft. Gegen Eleggua kann man nicht gewinnen, deswegen muss man ihm vor und nach jeder Zeremonie zu Essen geben. Um das Unheil zu vermeiden, dass er mit seinen Launen verursacht, muss jedes Ritual mit seinem Namen beginnen. Er muss angerufen und beschwichtigt werden. Er "ist das Ende und der Anfang aller Wege, und den Gebieter über das Schicksal darf man nicht beleidigen." Elegguas Bild ist immer das eines Kindes, eines Jugendlichen oder eines Alten. Nur Eleggua kann in seiner Funktion als Bote Olofis das Gute verkünden. Er tritt immer zusammen mit Ogun und Ochosi auf. Elegguas Farben sind rot und schwarz. Die Stimme des Orakels 'dilogun' ist die von Eleggua, der wie der griechische Hermes auch Herr des Wortes und Herr der Wahrheit ist.
Ochosi
Er ist ein sehr alter Gott, Vertreter der Jagd. Ihm gehören die Tiere, die er in den Wäldern der Berge mit Pfeil und Bogen jagt. Seine Farben sind dunkellila und schwarz. Sein Tanz ist reich an pantomimischen Einlagen, die an die Jagd erinnern. Er ist auch der Beschützer der Gefangenen.
Ogun:
Er ist der oberste Kriegsherr, Symhol primitiver Kraft und weltlicher Energie. Er ist ein Schlitzohr und schlau wie Eleggua. Er ist der Gott der Mineralien und aller Metalle, die er der Erde entreißt. Seine Symbole sind die Machete, Schaufeln, Eisenketten und überhaupt alle Objekte aus Eisen. Er wird, wie Ochosi, dargestellt in einem Topf voller verschiedener Eisenteile.
Diese drei Gottheiten leben in einem Häuschen, das die Gläubigen hinter der Tür zur Straße aufstellen.
Obatala
Obatala ist eine androgyne Gottheit, die von Olofi - dem höchsten aller Götter, aber unerreichbar für die Menschen - hervorgebracht wurde. Obatala erschuf die Menschen. Er ist die positive Kraft, die einen großen Teil des Kosmos umfasst, der aber gleichzeitig Schöpfer der menschlichen Fehler ist, denn auf Grund seiner eigenen Schwäche gibt es heute immer noch Menschen mit Fehlern. ObataJa gleicht die Gleichgültigkeit von Olofi durch seine Reinheit und sein Mitgefühl für die Menschen aus. Seine katholische Entsprechung wurde Jesus Christus, Sohn Gottes, Sohn Olofis. Obatala hat zweigeschlechtliche Eigenschaften. Er ist Mutter-Erde und Vater-Himmel. Obatala versteht die Tragödie, die sich hinter der Schwäche und der Versuchung versteckt. Stark und schwach in einem, verkörpert die Gottheit der Reinheit zugleich Mutter und Vater der Yoruba-Kubaner. Seine Farbe ist Weiß - die der Reinheit.
Aber Obatala ist nicht nur der Schöpfer der Menschen. Er ist auch die große kosmische Einheit, aus der viele andere Götter entstanden, die den Yoruba- Pantheon bevölkern.
Yemaya
Sie ist die große yorubiscbe Mutter - der Ozean. Sie ist immer mit dem Bild des Wassers, als Quelle der Weiblichkeit, der Verführung und des Wohlstandes verbunden. Sie ist die Mutter Wasser, aus der das Leben fließt. Sie ist Aché, die Lebenskraft. Schön und weiblich, ist Yemaya viel stärker als die männlichen Gottheiten. Sie ist immer ihren Männern überlegen. Sie kennt die Buchstaben des Orakels Ifá und kann ebenso wie Orula weissagen. Sie kann jagen wie Ochosi und so gut Krieg führen wie Ogun. Ihre Farbe ist das Blau mit ein wenig Weiß. Ihre Tänze sind lebhaft und bewegungsreich wie Wellen. In der katholischen Religion entspricht ihr die Jungfrau von Regla. Ihre Embleme sind der Halbmond, der Anker und die Sonne aus Silber oder weißem Metall.
Chango
Chango ist symptomatisch für die Polaritäten des Lebens: Er ist gerecht und ungerecht, ist Heiliger und Heilige, König und Sklave. Er ist verantwortlich und unverantwortlich. Er straft die Lüge mit einem Blitz, lügt aber manchmal selbst. Sein Symbol - die doppelte Axt - vereinigt archetypisch die Dualität des Lebens. Er ist Gott der Musik. Ihm gehören die heiligen Trommeln und er ist Herr über Blitz und Donner. Seine Farben sind rot und weiß, seine katholische Entsprechung die Heilige Barbara. In der afro-kubanischen Literatur verkörpert Chango die geheimen Wünsche und Schwächen der Menschen. Er ist der idealisierte Macho, temperamentvoII, spontan, wild und ungestüm nach außen, aber im Innern gutmütig und großzügig, schwach gegenüber der Liebe, dem Rhythmus der Trommeln und dem Tod. Chango, König und Sklave, gerechtigkeitsliebend, kriminell, souverän und streitsüchtig, verkörpert das Leben selbst. Chango ist die mächtige Fortpflanzung, das Vergnügen, das sich niemals erschöpft.
Ochun
Sie ist die Göttin der Sinnlichkeit und der Fruchtbarkeit. Ihr gehört das Süßwasser. Ihre Kraft ist nicht die Turbulenz des Meeres, sondern die ruhige Strömung eines Flusses, die sich zwischen den Steinen ihren Weg bahnt und langsam die stärksten Elemente zerfrisst, Changos Blitz ebenso wie Oguns Metall. Ochun verkörpert die sanfte Zärtlichkeit des Wassers, die Süße des Honigs, den Reichtum des Goldes sowie die Lust. Sie ist die Aphrodite des Yoruba-Pantheons, deren Verführungskraft den stärksten und gefühllosesten Macho lächerlich macht. Sie ist Mulattin und als katholische Jungfrau der „Caridad del Cobre" die Schutzpatronin Kubas.
Oba
Sie ist die Hauptfrau Changos. Oya ist Changos Entsprechung, Ochun seine Geliebte. Chango respektiert seine Ehefrau und verbannt sie für immer ins Haus und an den Kochtopf. Ihr Groll, ihre Demut und Bescheidenheit machen sie sexuell nicht sehr begehrenswert. Chango weist sie zurück, während sie geduldig auf seine Liebe wartet. Oba gibt, erhält dafür aber nichts als Beleidigungen. Aber Oba schafft sich diese Verwundbarkeit selbst. Ihr fehlen die wichtigsten der Yoruba-Eigenschaften: die List und die Schläue.
Oya
Sie ist die Göttin des Gewitters, die weibliche Entsprechung des Gottes des Donners. Oya liebt Chango, aber pflegt ihn nicht wie Oba und verführt ihn auch nicht wie Ochun, sondern ist einfach eine herausfordernde Persönlichkeit, der er sich normalerweise unterwirft.
Sie ist Hüterin des Friedhofs und beschützt die Toten. Es wird behauptet, dass ihre Kinder und Schützlinge weniger vom Tod bedroht sind als andere.
Oya ist auch der Regenbogen. So wird sie dargestellt mit den sieben Farben des Regenbogens. Gemeinsam mit Chango erbte sie das Feuer, und wenn sie wütend ist, speit sie polychrome Flammen.
Babalu Aye
Er ist der Gott der Krankheiten und der Wunder. Er darf nicht zusammen mit anderen Göttern im Hause wohnen, denn er lebt in der Nähe des Todes. Er bringt die Krankheiten und nimmt sie wieder. Deshalb wird er von den Menschen gleichzeitig sehr verehrt und gefürchtet. Seine Boten sind Moskitos und Fliegen, Übermittler von Plagen und Krankheiten. Auf Krücken zieht er durch die Welt und predigt gute Sitten und korrektes Verhalten. Er trägt ein Jutegewand mit maulbeerfarbenen Bändern, in der Hand hält er einen Besen aus Palmenzweigen, mit dem er die Kranken reinigt und purifiziert.
Er ist weise wie Orula und gerecht wie Obatala. Ihm gehören aber auch die Frauen, die er in Liebesangelegenheiten berät.
Seine katholische Entsprechung ist der Heilige Lazarus.
Orula
Er ist der Gott der Weisheit, der alles sieht und alles weiß. Wie Olofi zeigt sich Orula den Menschen nicht. Orula enthüllt dem Menschen seine Geheimnisse. Er ist die Ordnung und das Licht, das die verborgenen Wege des Schicksals durchdringt. Er ist voller Weisheit und Wissen und wird in den Legenden als kleiner, alter Mann mit großem Verstand dargestellt. 'Ifá' ist das Tableau (Brett), das Orula vom höchsten Gott - Olofi - erhalten hat. Olofi übergab ihm auch 16 Kaurimuscheln, damit er mit Hilfe des Brettes (Ifá) und der 16 Muscheln in die Geheimnisse der Zukunft eindringen kann.
Der Konflikt der Gottheiten - Orula/Eleggua - ist gleichbedeutend mit dem Kampf des Menschen mit seinem Schicksal.
Zitat aus „EI monte" von Lydia Cabrera: "Orula und Eleggua sind eins. Der beste Verbündete Orulas ist Eleggua." Das Schicksal ist zweigeteilt (Orula - Elleggua) und spricht aus der Öffnung der Kaurimuschel.